Thomas Harlan: Veit

Thomas Harlan:
Veit
Mitarbeit: Sieglinde Geisel und Jean-Pierre Stephan
Anhang: Sieglinde Geisel
Rowohlt, Reinbek 2011. 160 Seiten

Klappentext

„Mein Sohn, ich glaube, ich habe Dich verstanden.“ Im April 1964 ruft Veit Harlan seinen Sohn Thomas nach Capri an sein Sterbebett, doch für das Gespräch, das mit diesem Satz hätte beginnen können, ist es zu spät.

Drei Tage dauert das Sterben, drei Tage erinnert Thomas Harlan sich an die gemeinsame Geschichte. Wir erleben eine Familie, die nicht an „Jud Süß“ allein zerbrach.

Leseprobe

Essay

  • Jean-Pierre Stephan: Zur Entstehung von „Veit“. In: Sinn und Form 1/2012, S. 72-76

Rezensionen

Interview

Hörspiel „Veit“

Bayerischer Rundfunk, 2011
Bearbeitung: Michael Farin; Regie: Bernhard Jugel
Länge ca. 50′
Ursendung auf Bayern 2, 23. März 2011

Auszeichnungen

Rezensionen

Thomas Harlan über seinen Vater

Thomas und Veit Harlan, Capri 1964

Thomas und Veit Harlan, Capri 1964

„Für mich war ausschlaggebend: Übernimmt jemand die Verantwortung. Zahlst du? Unter zahlen verstehe ich zunächst einmal sagen: „Es war so.“ Das wäre schon sehr viel. Das hat mir so gefehlt, dass ich da mich nie drüber hinwegschummeln konnte. Darum ist es dabei geblieben bis heute.“

(Thomas Harlan in Wandersplitter)

Mit mir sprach mein Vater nicht, er sprach zu mir. Ich hätte nichts entgegnen können, nicht weil er es mir verboten hätte, sondern weil alles, was er sagte, endgültig war. Er hat mich auch nichts gefragt und nichts von mir wissen wollen. Er hat alles gewußt. So ware er. Aber dabei sehr angenehm. Gute Wellen gingen von ihm aus, wenn er da war und sprach. Humorvoll und freundschaftlich. Erst in den letzten Wochen vor seinem Tod hat er mir überhaupt Fragen gestellt, über mein Leben, mein Denken, viele Fragen, aus denen ich sah, daß er manche Sachen anders gesehen hätte, wenn er mehr gewußt hätte.“

(Thomas Harlan in: „Hitler war meine Mitgift“, S. 41)

„Es ist nur so, jetzt sagen Sie ja: Vater. Ich mache natürlich aus meinem Vater nicht mehr als es ist. Es ist eben meiner, und nur das ist mir wichtig: Ich fang bei mir an – aus. Es ist ein heiß geliebter Mensch. (…) Aber ich habe schon etwas gesehen, er verantwortet sich nicht. (…) Ich habe immer gedacht, dass ich mich nicht von der Tatsache weich machen lassen darf, zu sagen: Aber, ich liebe ihn doch und deswegen –. Ich habe immer versucht, dass mir das nicht passiert, dass ich mich menschlich benehme, wenn es zunächst mal darum ging, etwas Unmenschliches auch so festzustellen, wie es ist.“

(Thomas Harlan in „Wandersplitter“)

„Einerseits werde ich immer wieder umgeworfen von der sentimentalen Kraft von Filmen wie ‚Das unsterbliche Herz‘, ‚Der Herrscher‘ oder auch ‚Die Reise nach Tilsit‘ haben. Andererseits ist mir mein Vater nach ‚Jud Süß‘ zu feucht geworden: Alles, was dann kam, ist humidifiziert, nah an nationalen Ressentiments. Es ist alles im Trösterpaket mit drin.“

(Thomas Harlan in „Unbrauchbarkeit aus Prinzip und als Utopie)

„Wenn ich jemals solch eine Verantwortung für irgendwas übernommen hätte wie er, dann hätte ich meine Arbeit nicht im gleichen Metier fortgesetzt. Nicht, weil ich mich schuldig gefühlt hätte, sondern aus der Einsicht heraus: Das beherrsche ich nicht.“

(Thomas Harlan in „Unbrauchbarkeit aus Prinzip und als Utopie)

Frage: „Wenn Sie sich heute Immensee ansehen würden, was würden Sie empfinden?“

Thomas Harlan: „Ein ungeheures Vertrautsein mit dem Nazismus. Ich bin wieder Kind in größter Sicherheit und Ausgewogenheit, mit guten Gefühlen. Gefühle, die ich selbst nicht hatte, die ich nur durch den Film hatte. Das ist eine Kunst, die mit mir etwas anstellt, was mich glauben lässt, dass es von mir käme. Das ist, glaube ich, eine üble Kunst. Wie die Filme von meinem Vater eine Wirkung haben auf ein Gemüt, das es nicht gab.“

(Thomas Harlan in Revolutionskino)