Thomas Harlan: Wundkanal

Deutschland/Frankreich 1984. Regie: Thomas Harlan. Drehbuch: Yvette Biro, Thomas Harlan. Kamera: Henri Alekan. Musik: Bob Wade. Mit: Alfred Filbert, Robert Kramer, Heike Geschonneck, Rolf Niffuag. Produktion: Quasar Film, Berlin / Reass Films, Paris. Premiere: 29.8.1984 (Mostra Internazionale del Cinema, Venedig)

Wundkanal (Filmstill)

Wundkanal (Filmstill)


Wundkanal (Filmstill)

Wundkanal (Filmstill)

Wundkanal (Filmstill)

Wundkanal (Filmstill)

Robert Kramer: Notre Nazi

Frankreich/Deutschland 1984. Drehbuch, Regie, Kamera: Robert Kramer. Musik: Barre Phillips. Mit: Alfred Filbert, Thomas Harlan, Hertz Nativ, Ursula Langmann, Henri Alekan, Heike Geschonneck Produktion: Reass Films, Paris / Quasar Film, Berlin. Premiere: 29.8.1984

Notre Nazi (Filmstill)

Notre Nazi (Filmstill)


Notre Nazi (Filmstill)

Notre Nazi (Filmstill)

Notre Nazi (Filmstill)

Notre Nazi (Filmstill)

Wundkanal / Notre Nazi auf DVD

Wundkanal (DVD-Cover)

Doppel-DVD in der Edition Filmmuseum

Thomas Harlan über „Wundkanal“ und „Notre Nazi“

„Wir haben angefangen, ihn (Alfred Filbert) zu verhören und ihn dann mittels der Monitore mit seinen Widersprüchen konfrontiert und auch dieses Konfrontation dokumentiert und ihm auch das vorgeespielt. (…) So kamen wir heran an die wirkliche Definition einer Persönlichkeit, die ihr „Ich“ abgelegt hat. Wenn man mit Filbert spricht, sagt er, dass die Massenmorde nur von demjenigen begangen worden sind, der den Eid geleistet hat. Mit sich selbst identifiziert er diese Figur nie. Das ist etwas, was ich gelernt habe: Die Delegation der Persönlichkeit in einem heute nur schwer nachvollziehbaren Maße ist der große, beruhigende Ausweg. Nur so konnten die Verbrecher aus den Einsatzgruppen im Osten nach dem Krieg buchstäblich sorgenlos, bruchlos in ihre bürgerlichen Berufe zurückkehren.“

(Thomas Harlan in „Unbrauchbarkeit aus Prinzip und als Utopie“)

„Der Film Wundkanal ist ein Gewaltakt, as ist wichtig. Notre Nazi hält das fest. Er verrät mich. Er wird gemacht, um mich zu verraten. (…) Der Film zeigt vor allem, wie neue Schuld entsteht in einem Film über die alte. Wer diesen Versuch unternimmt, den ich unternommen habe, der verliert sein Gesicht. (…) Ich habe das Gesicht des Feindes angenommen. Wenn Sie die Mittel des Feindes benutzen, um dem Feind auf den Leib zu rücken, dann ähneln Sie Ihrem Feind um so mehr, als Sie ihm nahe kommen. Sie werden Ihr eigener Feind.“

(Thomas Harlan in „Hitler war meine Mitgift“, S. 205 f.)

Über Alfred Filbert

„In dem Moment, in dem er von der Kamera befragt wird, siehst du, dass allein die Macht, jemanden befragen zu können und eventuell in der Folge umzubringen, so befriedigend ist, dass er sogar dann mitmacht, wenn es gegen ihn geht.“

„Der schreckliche Satz, den er einer französischen Zeitung gesagt hat – ‚Ich habe dem Herrn Harlan gehorcht, wie ich Heydrich gehorcht habe‘ –, der heißt ja praktisch, wir haben uns einen Mörder hergerichtet. Ich kann also durch das Filmemachen mit ihm beweisen, zu was ich ihn bringe. Ich brauchte gar nicht Hitler zu sein oder Heydrich. Ganz wenig hat genügt, ganz wenig Druck und eine ganze Menge Verführung, und ich glaube, dass der Nazi-Staat so etwas Ähnliches war in seinen Angeboten, wie die Torte zu seinem Geburtstag. Die Aufmerksamkeit, die Wichtigkeit, die man ihm gab.“

„Erst mal finde ich es ja gar nicht richtig, was ich gemacht habe. Ich finde es gut für mich, aber dass das andere richtig finden müssten, und dass ich das begründen könnte, auf die Idee würde ich nicht kommen. Ich denke, dass es wunderbar war, diesen Mann sich auf diese nie sonst herstellbare Weise sich offenbaren zu lassen. Und damit sehe ich eigentlich eine der einfachsten und eklatantesten Mordwaffen der Welt. Nämlich einen richtig netten Opa. So sieht der Mörder aus, nicht wie ein Mörder. (…) Dass er mitgemacht hat, gehört ja zum Mörder.“

(Thomas Harlan in Wandersplitter)

Über Notre Nazi

„Hinterher hat keiner keinem etwas vorgeworfen. Wenn man gemeinsam das Gesicht verliert, dann zeigt man nicht mit dem Finger aufeinander. Aber als wir den Film schließlich gesehen haben, haben wir gesagt: Mensch, was ist aus uns bloß geworden? Buchstäblich jeder hat in diesem Film etwas getan, was er sonst nie getan hat. Das ist eine wichtige Erfahrung gewesen. Insofern ist der Film, den ich mir auch vorwerfe, produziert zu haben, weil er mir in den vergangenen 15 Jahren nur Schläge in die Fresse eingetragen hat, wichtig. Die Leute fanden mich ja viel schlimmer als den Alten.“

(Thomas Harlan in „Unbrauchbarkeit aus Prinzip und als Utopie“)

Bernhard Stampfer über die Dreharbeiten

„Thomas. Der Harlan. Der Wüterich der Gedanken, der Charmeur mit seinen blitzenden Äuglein – so schlau, so flink, so alleswissend und bereits alles kennend. Der Manipulator des Denkens und des Fühlens mit fortwährendem Redefluss, der ihn immer daran gehindert hat, anderen zuzuhören, es sei denn, sie haben das bestätigt, was der Meister meist schon wusste. (…)

Tage, Wochen und Monate verzweifelter Versuche, das Harlan’sche Universum zu erfassen und gemäß seinen eigenen Vorstellungen in eine Film zu packen. Es sollte im ersten Anlauf nicht gelingen, zynisches Scheitern, alle seine Vasallen mitreissend. Adieu, mon cher, du Kämpfer deiner eigenen Wahrheiten.“

(Bernhard Stampfer, Herstellungsleiter von „Wundkanal“, in: Thomas Harlan Memory)